Wo die Streuobstbäume (noch) blühen

Wo die Streuobstbäume (noch) blühen

Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege e.V. setzt sich für den Erhalt von Streuobstwiesen ein
Mitte Mai – zur Zeit der Hochblüte in diesem Jahr – war der Bayerische Landesverein für Heimatpflege e.V. zu Gast im Lallinger Winkel, der sich im nordöstlichen Teil des Landkreises Deggendorf erstreckt. Das Team besuchte Maria und Peter Gruber in Lalling, um sich vor Ort über den Bio-Streuobstanbau und die Vermarktung der erzeugten Produkte zu informieren. Familie Gruber bewirtschaftet gemeinsam in althergebrachter Weise eine über sechs Hektar große Streuobstwiese. Hier finden sich Apfelbäume, die mit über einhundert Jahren ein biblisches Alter erreicht haben.

„Ich half schon als kleines Kind meinen Eltern bei der Bewirtschaftung unserer Streuobstwiesen. Die Bäume tragen immer noch in Hülle und Fülle ihre gesunden Äpfel. Um unserer Streuobstkulturlandschaft weiterhin die nötige Aufmerksamkeit und Pflege geben zu können, wird bei uns nicht gespritzt. Pflege und Fürsorge der Wiese erfolgen in jeder Beziehung im Einklang mit der Natur und nachhaltig für Bäume, Pflanzen, Tiere, Insekten und Menschen“, erklärt Maria Gruber, die auch Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Lallinger Winkel ist.
Die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen ist eine traditionelle Form des Obstbaus. Auf den Wiesen stehen verstreut hochstämmige Obstbäume meist unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Arten und Sorten. Die Bäume stehen locker, die Flächen dienen zugleich als Grünland, entweder als Mähwiese zur Heugewinnung oder direkt als Viehweide. Sie weisen eine beachtliche Biodiversität im Hinblick auf Flora und Fauna auf. Auch die Imkerei spielt bei der Bestäubung eine wichtige Rolle. Der Einsatz von Pestiziden ist unüblich.
„Wenngleich die positiven Wirkungen von Streuobstwiesen eindeutig belegt sind, so sind sie aus betriebswirtschaftlicher Sicht häufig unrentabel, da hoher manueller Arbeitsaufwand und vergleichsweise geringer finanzieller Gewinn in keiner Relation stehen. Leider nehmen die Streuobstbestände daher insgesamt ab. Da die Obstwiesen außerdem traditionell an den Ortsrändern liegen, wo häufig Neubau- oder Gewerbegebiete ausgewiesen werden, sind sie darüber hinaus von Rodung bedroht“, fügt Ursula Eberhard, Referentin für Kulturlandschaften im Landesverein, hinzu.
Kontakt:
Dr. Daniela Sandner
daniela.sandner@heimat-bayern.de
Ursula Eberhard
ursula.eberhard@heimat-bayern.de
Heute gehören Streuobstwiesen zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas, nachdem ihr Bestand bereits seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund intensiver Landwirtschaft und des nahezu ungebremsten Bau- und Siedlungswesens stark abnahm. Insbesondere zwischen 1957 und 1974 bzw. 1977 wurden auf Streuobstwiesen massive, teils subventionierte, Rodungsmaßnahmen durchgeführt, nachdem der Streuobstbau als zu unwirtschaftlich in Verruf gebracht worden war.
Durch die besondere topographische Lage Lallings – von drei Seiten durch die Gebirgszüge des Vorderen Bayerischen Waldes geschützt und nach Süden zur Donauebene hin geöffnet – ist der Lallinger Winkel aber auch heute noch ein ideales Obstanbaugebiet. Durch das milde Klima bedingt und von den Mönchen des Benediktinerklosters Niederaltaich gefördert, hat sich seit dem 8. Jahrhundert eine Obstbaumzucht entwickelt, die im 19. Jahrhundert einen erneuten Aufschwung nahm. So war Lalling in den Jahren 1861 bis 1904 Sitz einer Distriktobstbaumschule. Das im Aufbau befindliche Streuobstwiesenkompetenzzentrum in Lalling will diese lange Tradition – unter anderem im Verbund mit der Familie Gruber – fortsetzen und zukunftsfähig gestalten. Es geht darum, die im Lallinger Winkel gewachsene Tradition des Obstanbaus und die vorhandene Vielfalt alter und seltener sowie schmackhafter Obstsorten, vorwiegend Apfel und Birne, zu erhalten.
„Niederbayern hat durch seine historische Entwicklung in der Landwirtschaft und die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre ein hohes Wachstumspotential als Obstanbaugebiet. Der Obstanbau trägt darüber hinaus zum Erscheinungsbild der niederbayerischen Kulturlandschaft bei und sorgt für die Gesunderhaltung unserer Umwelt“, erläutert Hans Göding, Betriebsleiter des Lehr- und Beispielsbetriebs für Obstbau in Deutenkofen, einer Einrichtung des Bezirks Niederbayern.
Die Heimat, und die heimatlichen Kulturlandschaften, zu schützen bedeutet nicht nur, sie zu bewahren und zu pflegen, sondern auch sie verantwortungsvoll weiterzuentwickeln – diesem Motto hat sich der Landesverein verschrieben. Hierfür ist auch das Engagement der Familie Gruber für die Streuobstwiesen im Lallinger Winkel ein vorbildhaftes Beispiel. Schließlich finden hier – in pandemiefreien Zeiten – zahlreiche Veranstaltungen statt, die interessierte Erwachsene, aber auch Schulkinder, über die historische, kulturelle und landschaftliche Bedeutung der Streuobstwiesen aufklären.
„Bayerns Landschaften sind Kulturlandschaften, die über Generationen hinweg geprägt worden sind. Der ländliche Raum ist lebenswert und soll es bleiben. Die Erhaltung und behutsame Weiterentwicklung der Kulturlandschaften und ihrer schützenswerten Elemente ist daher ein Aufgabenschwerpunkt in unserem Hause“, betont Dr. Thomas Büttner, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landesverein, der eine Datenbank zur Erfassung historischer Kulturlandschaftselemente betreut.
Darin sind derzeit 13 Streuobstwiesen, hauptsächlich in Franken,
erfasst. Es sollen in Zukunft viele weitere hinzukommen. Im Lallinger Winkel selbst werden die Wiesen momentan im Rahmen einer Bachelor-Arbeit kartiert und deren Zustände systematisch verzeichnet.
Um den Landesverein und seine vielfältigen Tätigkeitsfelder einer breiten Öffentlichkeit näher vorzustellen, werden aktuell fünf kurze Filmbeiträge gedreht, die insbesondere in den Sozialen Medien ausgestrahlt werden sollen. Das Team des Landesvereins wurde daher in Lalling von Studenten der Filmhochschule München und einem freischaffenden Filmproduzenten begleitet.
Die Filme sollen die Vielfalt der Heimat Bayern aufzeigen und exemplarisch Menschen vorstellen, die sich für deren Gestaltung aktiv und in die Zukunft gerichtet einsetzen. Der Beitrag über die Streuobstwiesenkultur in Lalling machte hierbei den Anfang. Die Veröffentlichung der Filmclips wird im November dieses Jahres auf der Website des Landesvereins www.heimat-bayern.de sowie den anhängigen Social-Media-Kanälen erfolgen.
Hintergrund
Der 1902 ins Leben gerufene Landesverein kümmert sich seit seiner Gründung um Heimatpflege und -forschung, Baukultur und Denkmalpflege, um Volksmusik, Bräuche, Trachten und Mundart. Er setzt sich für den Erhalt der Vielfalt der Kulturlandschaften Bayerns ein und unterstützt die in der Heimatpflege ehrenamtlich tätigen Personen.
Der Landesverein hat sich den angemessenen und in die Zukunft gerichteten Umgang mit der Landschaft zu einem Schwerpunkt seiner Aktivitäten gemacht. Er setzt sich insbesondere für eine landesweite Erfassung der historischen Kulturlandschaftselemente ein, um dem schleichenden Verlust an Kulturlandschaft in Bayern wirksam zu begegnen. Darüber hinaus engagiert er sich für eine Reduzierung des Flächenverbrauchs in Bayern.
Über das StreubstWiesenParadies der Familie Gruber kann man sich auf folgender Webseite informieren: www.gruber-biostreuobst.de
Bildmaterial
Bildtitel: Landesverein zu Gast bei Familie Gruber in Lalling.jpg
Bildunterschrift: In voller Blüte: Unter strikter Einhaltung der Hygieneregeln besuchten Mitarbeiter des Landesvereins sowie ein Kamerateam die Familie Gruber (Bildmitte) in ihrem StreuobstWiesenParadies in Lalling.
Bildautorin: Anita Obermeier.
Bildtitel: im Mai in Lalling Sandner2.jpg
Bildunterschrift: Die Blüte der Streuobstbäume ließ in diesem Frühjahr wegen des nasskalten Wetters auf sich warten. Bei ihrem Besuch Mitte Mai schließlich wurden die Mitarbeiter des Landesvereins mit einer beeindruckenden Blüte über hundertjähriger Apfelbäume belohnt.
Bildautorin: Daniela Sandner.

Kontakt:
Dr. Daniela Sandner
daniela.sandner@heimat-bayern.de
Ursula Eberhard
ursula.eberhard@heimat-bayern.de